Literaturprojekt
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Eine Übung pro Monat

 

Schreibübung März 2024

 

 

Zeitgestaltung 5: Spannungserhöhung durch Einschübe


 

Nichts ist so spannungsarm wie ein gleichmäßig erzählter Text. Da kann der Inhalt noch so spannend sein: Wenn die Gestaltung des Textes darauf keine Rücksicht nimmt, kann der Inhalt nicht die gewünschte Wirkung in ausreichendem Maß entfalten.

Gelingt es uns durch Raffungen uninteressante, handlungsarme Zeitabschnitte zu überwinden, so können wir durch Zeitdehnung die Spannung erhöhen. Vor allem, wenn es sich um ein inhaltlich dramatisches Geschehen handelt.

Spannung entsteht ja dann, wenn ein Leser etwas wissen will, es aber nicht gleich erfährt. Hat der Leser eine Frage im Kopf (wer ist der Mörder?, bekommt sie diesen Mann?, ist es moralisch richtig, was er tut und wie verhält sie sich, wenn..?), so können wir die Handlung verzögern. Im Krimi geschieht es durch die Verrätselung und die Tatsache, dass der Gegenspieler Maßnahmen unternimmt, die ein schnelle Aufklärung des Verbrechens verhindern.

Aber gerade auch sprachlich lässt sich einiges tun.

 

Ein kleines, aber raffiniertes Mittel ist der Einschub, der den Fortgang des Geschehens entscheidend verzögert. Dies gelingt dann, wenn wir einen Begriff einführen, den der Leser nicht kennt, von dem er das Gefühl hat, er müsse aber verstehen, was er bedeutet.

 

Dies gelingt aber nur, wenn wir ein gewisses Spannungsniveau erreicht haben. Und vor allem: Der Begriff muss mit der Handlung eng verknüpft sein.

„Da sonst kein Ausweg war, beschloss man Pierrot Mergel fressen zu lassen.“ schreibt Maupassant in der genialen Kurzgeschichte „Pierrot“.

 

Was ist Mergel? Die wenigsten wissen das – und das man Mergel fressen kann, das weiß eigentlich niemand – der Leser weiß aber, dass dieses „Mergel fressen“ mit der Handlung zu tun hat. Der Leser möchte zwei Dinge gleichzeitig wissen, weiß aber natürlich, dass man nur eines zu einer Zeit erfahren kann – wir haben wir eine dramaturgische Gabel geschaffen.

 

Der Leser muss seine Unruhe zügeln, er liest gespannt die Informationen, die ihn im Fall von Maupassant nicht heiter stimmen, denn „Mergel fressen“ heißt für den Hund namens Pierrot auf eine grausame Weise umgebracht zu werden.


„Mergel fressen lässt man alle Hunde, die keiner will. Mitten in einer weiten Ebene kann man eine Art Hütte sehen, vielmehr ein ganz niedriges, auf die Erde gesetztes Strohdach. Das ist der Eingang zur Mergelgrube. Ein ganz steiler Schacht...“

 

Guy de Maupassant, Pierrot


Umso gespannter wird er die nächste Handlungssequenz lesen, die man beginnen kann, indem man den letzten Satz vor dem Einschub wiederholt und dann die Handlung weiterlaufen lässt.

 

„Als feststand, Pierrot Mergel fressen zu lassen, hörte man sich nach einem Henker um.“


Auf diese Weise gelingt es, das Spannungsniveau zu heben, innerhalb des Einschubs Vorausdeutungen auf das spätere Geschehen zu geben, den Leser in stärkere Spannung zu versetzen.

Um spannend zu erzählen muss man Situationen nicht dauernd eskalieren lassen, man muss nicht nur Aktion und Dialog bringen. Spannung entsteht aus dem richtigen Verhältnis zwischen Ruhe und Bewegung. Und wir wissen doch, dass man den größten Stress beim Warten auf ein Ereignis (eine Prüfung bspw.) erlebt, nicht bei dem Ereignis selbst.

 

Aber Vorsicht: Dieses Mittel kann auch ins Gegenteil umschlagen. Zu lange Einschübe wie wir sie von Karl May und von vielen Autoren des 19. Jahrhunderts kennen, führen zum Überblättern bis zu der Stelle, an der die Handlung weiterläuft. Der heutige Leser hat selten die Geduld lange Beschreibungen zu lesen, der jugendliche Leser schon gar nicht. Deswegen muss dieses Mittel dosiert eingesetzt werden und es muss immer einen Grund geben, damit der Leser das Gefühl hat, diese Stelle nicht überspringen zu können. In hochliterarischen experimentellen Texten oder bei der Erzählposition eines abschweifenden Erzählers mag das anders sein. Da sind Einschübe lang und erfüllen einen anderen Zweck, dienen nicht der Spannungserhöhung.

 

Bei konventionellen Textsorten stellt der Einschub ein gutes Mittel zur Spannungserhöhung dar, wenn er an der richtigen Stelle und nachvollziehbar eingesetzt wird.

 

 

Übung

 

Schreiben Sie eine Geschichte, in der eine Figur etwas sucht. Zwei Hindernisse stellen sich auf ihrer Suche in ihren Weg, so muss sie inzwischen schon Kraft investieren, um ihr Ziel zu erreichen.

 

Da stellt sich ihr ein drittes Hindernis in den Weg.

Der Leser möchte wissen, wie es weitergeht, aber es wird bei diesem Hindernis ein Begriff gebracht, den der Leser voraussichtlich nicht kennt.

Hier bringen Sie einen Einschub, um den Begriff zu erklären. Nicht länger als einen Absatz.

Versuchen Sie bei dieser Begriffsklärung in diesem Absatz eine allgemeine Vorausdeutung zu geben, wie sich das Geschehen entwickeln könnte oder üblicherweise entwickelt.

 

Wenn Sie die Geschichte weiterschreiben, dann haben Sie die Wahl, ob Sie die Geschichte so ausgehen lassen, wie es vorausgedeutet wird oder ob Sie ein anderes Ende wählen.

 

 

Herzliche Grüße

 

Arwed Vogel

 

 

 

 

 

 

 

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