Schreibübung Oktober 2025
Zeitgestaltung 6: Dehnendes Erzählen durch Innenperspektive
Ein Text lebt aus seinem Rhythmus. Rhythmus entsteht durch Wechsel von Erzählelementen, die sich in ähnlicher Weise wiederholen. Durch diesen Wechsel entsteht auch Spannung, weil der Text nicht gleichförmig erzählt wird.
Die Zeitgestaltung spielt dabei eine wichtige Rolle. In dieser Übung zeige ich, wie Zeitgestaltung auch mit einem Perspektivwechsel einhergehen kann und der Text dadurch noch lebendiger wird.
Wenn wir Figuren darstellen, haben wir zwei Möglichkeiten: Entweder wir beschreiben sie von außen, was sie sagen und tun, ihre Gestik, Mimik und andere Elemente der Körpersprache – die Außenperspektive mit einer Kamera. Oder wir zeigen, was sie denken durch direkte Gedanken oder erlebte Rede oder einen Inneren Monolog. Das nennt man Innenperspektive.
Der beständige Wechsel von Innen- und Außenperspektive ist ein wichtiges Element, um lebendig zu erzählen. Denn der Leser will sowohl die Gedanken einer Figur kennen, als auch die Handlung wie einen Film erleben. Je nach Textrhythmus sollte der Wechsel nicht immer schnell erfolgen, da der Text sonst unruhig wirken kann. Der Text darf durchaus einen Absatz in der einen Perspektive bleiben, erst dann in die andere wechseln.
Was hat das Ganze aber mit Zeitgestaltung zu tun? Durch den Wechsel von Innenperspektive und Außenperspektive dehnen wir die äußere Zeit. Die Handlung verläuft in der Wahrnehmung des Lesers langsamer. Die Erzählzeit dehnt sich, den der Leser braucht mehr Zeit um den Text zu lesen, obwohl der äußere Handlungsverlauf und die darin erzählte Zeit gleich lang bleibt.
Im Gegensatz zu dem, was oft geschrieben wird, bedeutet das keine Spannungsverminderung, sondern eine Spannungserhöhung, denn Spannung entsteht durch Verzögerung, durch Warten auf das Ereignis, nicht das Ereignis selbst. Das sieht am am deutlichsten an der Inszenierung des Weihnachtsfestes.
Ich habe es schon einmal geschrieben: Um spannend zu erzählen, muss man Situationen nicht dauernd eskalieren lassen, man muss nicht nur Aktion und Dialog bringen. Spannung entsteht auch aus dem richtigen Verhältnis zwischen Ruhe und Bewegung, wechselnden Blickwinkeln und Geschwindigkeiten.
Der regelmäßige Wechsel zwischen Innen- und Außenperspektive gibt somit dem Text mehr Lebendigkeit, er dehnt die erzählte Zeit und erhöht damit die Spannung und nicht zuletzt gibt er dem Text Tiefe, da der Leser die Figur sowohl in ihren Gedanken als auch bei ihrem Handeln erlebt.
Übung
Außenperspektive:
Schreiben Sie einen Text nur aus der Außenperspektive, in dem eine Figur durch einen See schwimmt. Nach einiger Zeit erschöpft sich ihre Kraft, sie schwimmt langsamer, dreht aber nicht um, sondern schwimmt weiter (Länge: ca. 1300 Anschläge)
Ergänzung mit Innenperspektive
Ergänzen Sie nun den Text mit Elementen der Innenperspektive: Den Gedanken der Figur und ihren Gefühlen durch drei Abschnitte, die sie in den geschriebenen Text an verschiedenen Stellen einmontieren. Dadurch dehnen Sie die Erzählzeit durch die Innenperspektive.
Überprüfung
Prüfen Sie dann, ob die Gedanken nicht schon vom Leser durch die Körpersprache und das Verhalten der Figur erkannt werden konnten. Dann sind sie zu konventionell. Suchen Sie andere Gedanken, eine Geschichte, die den Blick auf die Figur weiter vertieft. Gründe, warum sie doch weiterschwimmt...
Herzliche Grüße
Arwed Vogel
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